Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf die Unternehmenskultur in den nächsten zwei Jahren – ein systemisches Gedankenspiel
Harro Engelmann • 17. Juli 2025
Was uns der Blick in die Glaskugel verraten kann
Innerhalb der kommenden zwei Jahren stehen wir nach den bisherigen Entwicklungen im Bereich der Anwendungsfälle von KI zu urteilen vor weiteren tiefgreifenden kulturellen Transformationen innerhalb von Organisationen. Diese Transformationen sind maßgeblich von der Integration von KI-Anwendungen beeinflusst. Aus der Sicht eines systemischen Coaches und Organisationsbegleiters sehe ich darin eine Chance, aber auch eine Herausforderung, die es zu gestalten gilt.
Wie verändert KI die Unternehmenskultur?
Der Blick in die Glaskugel verrät als ersten Schritt, dass wir wissen, dass wir die Zukunft nicht vorhersehen können. Im besten Fall können wir Annahmen treffen, welche Szenarien wir mit höheren Eintrittswahrscheinlichkeiten versehen als andere.
Und so können wir im nächsten Schritt sagen, dass Künstliche Intelligenz kein rein technisches Tool, sondern im übergeordneten Sinn auch ein kultureller Change-Treiber ist. Sie beeinflusst, wie Arbeit verstanden, ausgeführt und bewertet wird. Unternehmen, die KI einführen, erwarten für die Einführung eine Gegenleistung. Etwa eine Steigerung von Effizienz, Innovation und/oder Wettbewerbsfähigkeit. Doch auf der menschlichen Ebene bedeutet dies oft Unsicherheit, Angst vor Arbeitsplatzverlust oder das Gefühl, entmenschlicht zu werden.
Dabei kommt hinzu, dass KI durch die schiere Präsenz und Anwendung die Werte, Normen und Überzeugungen innerhalb einer Organisation in Bewegung setzt. Dazu braucht es noch nicht einmal das Beispiel, wenn Entscheidungen zunehmend auf Algorithmen basieren. Denn auch vorher stellen sich durch Anwendungstools die Fragen nach Transparenz, Verantwortlichkeit und Vertrauen. Eine Unternehmenskultur, die bisher auf menschlicher Kompetenz fußte, muss sich nun mit der Frage "Was bedeutet Kompetenz in einer KI-gestützten Welt?" auseinandersetzen.
Die Bedeutung der KI-Affinität der Mitarbeitenden
Hier ist die sogenannte KI-Affinität ein zentraler Faktor. Sie beschreibt, wie offen und kompetent Mitarbeitende im Umgang mit KI sind. Diese Affinität ist nicht statisch; sie wird u.a. durch individuelle Erfahrungen, Wissen, Veränderungsbereitschaft und auch durch die Unternehmenskultur beeinflusst.
Mitarbeitende mit hoher KI-Affinität neigen dazu, Innovationen anzunehmen, neue Technologien zu erkunden und aktiv an Transformationsprozessen teilzunehmen. Sie tragen zur Entstehung einer Kultur der Offenheit und des Lernens bei. Andererseits können Mitarbeitende mit geringer Affinität oder Angst vor Veränderungen Widerstand leisten, was zu Spaltung, Widerstand oder Frustration führen kann, wenn nicht adäquat - auch mit den “Affinitäts-Unterschieden” umgegangen wird.
Welche Themen und Fragen ergeben sich daraus für Unternehmen?
Kultur des Lernens und der Offenheit fördern:
Es scheint ein alter Hut, aber, um den beschriebenen Widerständen und Ängsten zu begegnen, lohnt es sich, an der Kultur hinsichtlich der Offenheit gegenüber der Nutzung von KI zu arbeiten. Wenngleich nichts erzwungen werden kann, so können gleichsam Maßnahmen ergriffen werden, die eine Kultur schaffen, in der Lernen keine Pflicht ist, sondern Teil des täglichen Miteinanders. Schulungen, Austauschformate und Mentoring-Programme sind wichtige Bausteine.
Vielfalt in der KI-Affinität anerkennen:
Zu wissen, dass es Unterschiede in der Mitarbeitendenschaft gibt, heißt bereits, es gibt ein Bewusstsein und Kenntnis darüber. Aber auch hierzu muss eine Organisation und Ihre Führungskräfte erst einmal gelangen. Dabei geht es nicht nur um die Lauten. Auch den leisen Tönen lohnt sich zu lauschen, um gezielt alle verfügbaren Ressourcen einzubinden.
Werte im Wandel begleiten:
Die Arbeit mit den Werten einer Organisation hört nie auf. Und gleichzeitig entstehen Situationen in Organisationen, in denen eine aktive Auseinandersetzung bedeutsamer ist, als zu anderen Zeitpunkten. Dann werden große Workshop-Runden veranstaltet und es wird viel moderiert. Interessant sind aber auch die Zeitpunkte, in denen scheinbar alles klar und geregelt ist. Gerade in der Dynamik der Einbindung von KI in Organisationssysteme, lauern hier einige Stolpersteine, die es im Blick zu halten gilt.
Umgang mit Ängsten und Widerständen:
Durch Angebote des Austausches, durch Beteiligung auf unterschiedlichen Ebenen, durch zuhören, wahrnehmen und erklären, können Widerstände und Ängste aufgenommen und dadurch auch ernsthaft bearbeitet werden. In einer Zeit großer Beschleunigung ist es umso wichtiger, dass gerade die Führung sich gerade dort Zeit nimmt, wo es scheinbar keine Zeit mehr gibt.
Balance zwischen technischer Innovation und menschlicher Identität:
Wenn es so etwas gibt, dann wäre jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen, unter Beweis zu stellen, dass man als Organisation diesen Balanceakt stemmen kann. Vielleicht geht es aber auch darum den Begriff der Balance in seiner zeitlichen Dimension zu strecken und eher von Phasen auszugehen, in denen es mal vermehrt um die “Erdung” durch die Mensch-Zentrierung und mal mehr um die Weiterentwicklung des technischen Reifegrades geht.
Der systemische Blick: Organisation als lebendes System
Aus einer systemischen Perspektive ist eine Organisation kein starres Gebilde, sondern ein lebendiges System, das sich ständig im Wandel befindet. KI ist darin ein einflussreicher Faktor, der Beziehungen, Kommunikation und die kulturellen Muster beeinflusst.
Wer den Wandel begleitet, für den ist es wichtig, den Blick für die Wechselwirkungen zu behalten: Wie wirkt sich die Einführung von KI auf Kommunikationsstrukturen, Machtverhältnisse oder die Segmentierung von Teams aus? Welche ungeschriebenen Regeln entstehen, und wie können diese bewusst gestaltet werden?
Somit bleibt die abschließende Frage: Was kannst du tun, um Kultur nicht der KI zu überlassen?
Reflektiere deine eigene Haltung und Werte:
Welche Haltung hast du gegenüber KI? Wie kannst du eine Kultur der Offenheit und des Lernens vorleben? Und was kannst Du in der Organisation anbieten, dass diese Haltung in den Austausch mit anderen Personen kommt.
Gestalte partizipative Prozesse:
Binde Mitarbeitende in Entscheidungen ein und schaffe Räume für Austausch, damit sie ihre Ängste und Wünsche äußern können. Offenheit dafür, dass alle Perspektiven zum Gesamtbild gehören, hilft dabei, um Verständnis und gemeinsame Lösungsräume zu ermöglichen.
Setze auf kontinuierliche Weiterbildung:
Entwickle Trainingsformate, die nicht nur technische Kompetenzen fördern, sondern auch die Haltung zur Veränderung stärken. Und binde diese in den Alltag ein, sodass KI keine Abstraktion bleibt. Gib den Mitarbeitenden die Chance, sich im Alltag an KI auszuprobieren, diese in ihre täglichen Prozesse - in überschaubaren und abgesprochenen Rahmen - einzubinden und sich darüber auszutauschen.
Achte auf eine Balance:
Nutze KI, um menschliche Fähigkeiten zu stärken, statt sie zu verdrängen. Hierzu braucht es die Bereitschaft und den stetigen Willen den aktiven Umgang mit der KI und der damit einhergehenden Transformation im Unternehmen anzuerkennen und in der Impulsgebung zu bleiben.

Jahr für Jahr wiederholt sich das gleiche Szenario in vielen Unternehmen: Kurz vor Weihnachten steht mindestens ein Strategiemeeting an, das einen hohen Anspruch an Vollständigkeit und Perfektion verfolgt. Die begrenzte Zeit und die immense Erwartung, in wenigen Tagen das Fundament für das kommende Jahr zu legen, bilden dabei unüberbrückbare Herausforderungen, die die Führungskräfte meistens frustrierter zurücklassen. Oder wie es ein Bekannter von mir vor kurzem formulierte: “Oh man, ich weiß gar nicht, wo mir grad der Kopf steht! Ich hab in letzter Zeit ständig Strategie-Meetings und Workshops, die alle plötzlich in meinem Kalender erscheinen und mich vom Arbeiten abhalten!” Doch warum werden diese Meetings immer wieder so spät im Jahr angesetzt und welchen Einfluss hat das auf die Qualität der erarbeiteten Strategien und vor allem auf die Führungskräfte des Unternehmens? Der Timing-Fehler Die Monate November und Dezember sind für viele Mitarbeiter ohnehin schon eine stressige Zeit. Jahresabschlüsse müssen vorbereitet, Projekte abgeschlossen und zukünftige Budgets geplant werden. Inmitten dieses Chaos treffen sich Führungsteams, oft viel zu kurzfristig, um über weitreichende strategische Entscheidungen zu diskutieren. Die Folge: ein enormer Druck, alle Themen umfassend behandeln zu müssen, während die nötige Ruhe und Fokussierung fehlt. Was daraus erwächst sind fahrige “Strategien”, die z.T. im Widerspruch zueinander stehen und aus ihrer Gründung heraus Spannungen erzeugen. Der Anspruch an Vollständigkeit Der Wunsch, jede mögliche Eventualität im Strategiepapier abzudecken, führt oft zu überladenen und unklaren Plänen. Anstatt sich auf wesentliche Ziele und Maßnahmen zu konzentrieren, neigen (auch Leadership-) Teams dazu, sich im Detail zu verlieren. Dieser Hang zur Überkomplexität wird oft durch die fehlende Zeit zur sorgfältigen Vorbereitung und Nachbearbeitung der Themen verstärkt. Auch hierdurch entstehen unterschiedliche Problemlagen. Mikromanagement ist eines davon. Der fehlende Blick für Gesamte eine weitere. Die Führungskräfte Sie sind zumeist in der kalten Jahreszeit auf einer erhöhten Betriebstemperatur: Mitarbeitende fallen krankheitsbedingt aus, Zahlen müssen geprüft und vielleicht auch noch das ein oder andere Prämienrelevante persönliche Entwicklungsziel abgearbeitet werden. Und dann braucht es ausgerechnet in dieser Zeit eine Auseinandersetzung mit der Zukunft und den Zielen? Das frustriert und senkt die Motivation. Das kann zuweilen selbst die erarbeitete Strategie konterkarieren. Und für angespannte und zugleich motivierte Menschen den berühmten Tropfen darstellen. Und was kann hier helfen? Nun, als erster Schritt: Terminplanung und die Frage danach, wie im Unternehmen eigentlich Strategie geplant werden möchte und soll! Dabei lohnt sich der Einsatz von Methoden, die auch Planungsprozesse unterstützen. Es lohnt sich auch, bei der Terminplanung eine Zeit zu berücksichtigen, in der die Geschäfte eher ruhig laufen und die relevanten Personen nicht an der Spitze ihrer Auslastung unterwegs sind. Ein weiterer Schritt: eine Auseinandersetzung mit den Erwartungen an das Meeting oder die Meeting-Serie. Wer sich traut, klar auszusprechen, was er erreichen möchte, hat mehr Chancen am konkreten zu diskutieren. Die Diskussionen wabern nicht im Raum und Menschen verlassen denselben nicht frustriert. Im Meeting selbst: Fokussierung auf das Wesentliche! Durch gezielte Moderation helfen Sie, Ablenkungen zu vermeiden und das Meeting auf die entscheidenden Punkte zu konzentrieren. Und dabei hilft eine über Jahre erfolgreich angewandte Regel: Wer inhaltlich diskutieren möchte, moderiert nicht. Und wer moderieren möchte, diskutiert nicht inhaltlich mit. Daher lohnt es sich meistens, zum Thema Strategie eine externe Moderation hinzuzuziehen, die Methoden-kompetent die Ziele der Gruppe im Blick behält und die Gruppe zur Zielerreichung führt. Und ein weiterer Schritt: Eine Strukturierte Vorbereitung Indem sie im Vorfeld klare Vorbereitungsprozesse definieren, stellen sie sicher, dass die relevanten Informationen und Analysen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Zudem hatten alle Teilnehmenden die Gelegenheit, sich vorzubereiten und ihre jeweiligen Perspektiven zu sortieren. Das steigert zudem den Grad der tatsächlichen Beteiligungsmöglichkeiten und erhöht die Konsensfähigkeit der Gruppe. Ein Fazit Späte Strategiemeetings, die eine umfassende Vollständigkeit anstreben, sind oft zum Scheitern verurteilt, wenn sie unter Zeitdruck und ohne klaren Fokus durchgeführt werden. Externe Begleitung kann hier den entscheidenden Unterschied machen, um Struktur und Effizienz in den Prozess zu bringen und den Wunsch nach einer klaren und umsetzbaren Strategie zu erfüllen. Während sich das Jahr dem Ende zuneigt, sollten Unternehmen darüber nachdenken, wie sie ihre zeitlichen Abläufe und Ressourcenplanung optimieren können – denn die beste Strategie ist nutzlos, wenn sie in Hektik und Unklarheit entwickelt wird.

Manchmal reicht das Zusammenspiel zwischen Innen und Außen, um gute Wirkung bei sich selbst und der Umwelt zu erzielen. In meinem neuen Post blicke ich darauf, wie mich ein Zitat Sartres in einer Selbstreflexionsschleife auf verschiedene Antworten gebracht hat, Veränderungsprozessen und der fortwährenden Auseinandersetzung mit Wunsch und Wirklichkeit zu begegnen.